Schutzkonzepte in der Jugendarbeit
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Qualifizierung, Information, Personalentwicklung

Schutzbaum

Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendarbeit sollen Informationen und ausreichendes Wissen über sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen erhalten. Außerdem sollen sie regelmäßig Gelegenheit zur Reflexion und aktiven Auseinandersetzung mit der Thematik haben. Dies trägt zur Sensibilisierung bei und schafft Raum, um Verunsicherungen und Fragen anzusprechen.

Warum?
Was wir kennen, können wir leichter er-kennen. Deshalb ist Wissen über sexualisierte Gewalt Voraussetzung dafür, dass Menschen in der Lage sind, aufmerksam zu werden und nachzufragen, wenn Kinder und Jugendliche sich verändern und belastet wirken.

Durch Schulung und Qualifizierung soll der Wissensstand zu sexualisierter Gewalt aufgebaut und mit regelmäßig angebotenen Fortbildungen aktuell gehalten werden. Erst mit ausreichendem Wissen ist es möglich, die Relevanz des Themas zu durchdringen, Sensibilität zu entwickeln und bei Vermutung und Verdacht angemessen zu handeln.

Geeignetes und ausreichendes Fachwissen ist auch die Grundlage für die Entwicklung des Schutzkonzepts, denn es ermöglicht erst das Erkennen von Risiken und Schutzfaktoren.

Wer?
Sachinformationen und Basiswissen zum Thema sexualisierte Gewalt sind für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendarbeit wichtig. Entscheidend für die Wirkung in der Praxis ist aber vor allem die Auseinandersetzung und Reflexion der Inhalte. Für Personen, die mit Kindern und Jugendlichen in direktem Kontakt sind und Betreuungsaufgaben übernehmen, sollte eine entsprechende Schulung verpflichtend sein.

In den Juleica-Standards ist das Thema  "Prävention sexualisierter Gewalt" als Standard festgeschrieben.

Über das allgemeine Fachwissen hinaus sollten haupt- und ehrenamtliche Leitungspersonen und Verantwortliche über Wissen zum richtigen Umgang mit (Vermutungs-)Fällen sexualisierter Gewalt verfügen. Ebenfalls sollten sie praxistaugliche Instrumente der Personalauswahl und -entwicklung (z.B. Auswahl und Einarbeitung von neuen Mitarbeiter:innen, Dienstanweisung zur Prävention und zu Verfahrensregeln im Umgang mit Übergriffen…) kennen und in ihrem Verantwortungsbereich einsetzen.

Auch nicht-pädagogische Mitarbeiter:innen sollten angemessen über die Thematik der Prävention sexualisierter Gewalt informiert werden – zum einen, weil alle Menschen in ihrem Umfeld sexualisierter Gewalt begegnen können und es daher sinnvoll ist, über Informationen zu diesem Thema zu verfügen. Zum anderen aber auch, weil einige von ihnen (z.B. Hausmeister:in, Küchenpersonal, Reinigungskräfte in Übernachtungshäusern, Platzwart:in etc.) möglicherweise wichtige Beobachtungen machen, die sie mit entsprechendem Hintergrundwissen besser einordnen und ggf. als Anzeichen von sexualisierter (Peer-)Gewalt erkennen können.

Was?
Die Themen, der Umfang und die inhaltliche Tiefe der Qualifizierung orientiert sich an der Funktion, den Aufgaben und dem Verantwortungsbereich der Mitarbeiter:innen.

Zentrale Inhalte und Themen sind:

  • Sachinformationen und Fachwissen zum Thema sexualisierte Gewalt (Definition, Begriffe, Häufigkeiten…)
  • Wissen über typische Strategien von Täter:innen
  • Mögliche Signale von Betroffenen
  • Handlungsmöglichkeiten und Unterstützung im Fall der Vermutung von sexualisierter Gewalt
  • Präventionsmaßnahmen in der Organisation (Verhaltenskodex, Schutzvereinbarungen, Ansprechpersonen, Notfallplan…)

Die Wissensvermittlung allein bringt aber wenig echte Verbesserungen für den Schutz junger Menschen. Entscheidend für das Wirksamwerden ist es, die Informationen in ihrer Bedeutung für das eigene Handeln miteinander zu diskutieren, zu reflektieren und sich wiederholt mit Orientierungen, Werten und Normen auseinanderzusetzen.

Für die Praxis:

Schulung von Jugendleiter:innen
Die Ausbildung von Jugendleiter:innen zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt orientiert sich an ihrer Verantwortung im Jugendverband bzw. in der Jugendorganisation.

Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit bedeutet für die meisten, oft selbst noch jungen Jugendleiter:innen den direkten und unmittelbaren Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Deshalb sollen sie in ihrer Ausbildung vor allem lernen, „gute Jugendarbeit“ zu machen, die von Wertschätzung, Respekt und Aufmerksamkeit dem einzelnen Kind oder Jugendlichen gegenüber geprägt ist und die sich an den Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmenden orientiert. Damit leisten sie bereits einen wesentlichen Beitrag zum Schutz vor sexualisierter Gewalt.

Da Jugendleiter:innen jedoch auch mit Verdachtsfällen und massiven Grenzüberschreitungen konfrontiert sein können oder möglicherweise ein betroffenes Kind/ein:e betroffene:r Jugendliche:r sich ihnen anvertraut, müssen sie darüber hinaus Grundinformationen über sexualisierte Gewalt und konkrete Unterstützung und Handlungsperspektiven zum richtigen Verhalten in solchen Situationen erhalten.

Ziele der Schulung:

  • Jugendleiter:innen für das Thema sensibilisieren, informieren und die (Selbst-) Reflexion zum Thema fördern
  • Verantwortlichkeiten und Grenzen ihrer „Zuständigkeit“ bei der Vermutung sexualisierter Gewalt klären, Handlungssicherheit erhöhen
  • Kompetenzen für die alltägliche ehrenamtliche Arbeit vermitteln (z.B. Kennenlernen von Gruppenübungen und Spielen mit präventivem Charakter)

Inhaltliche Schwerpunkte:

  • Wissen über sexualisierte Gewalt: Definition, Zahlen und Fakten
  • Übertragung des Wissens auf mögliche Situationen in der Kinder- und Jugendarbeit
  • Folgerungen für die Haltung und das Verhalten als Jugendleiter:in (respektvoller Umgang miteinander, Regeln, Vorbildfunktion)
  • Möglichkeiten der pädagogischen Intervention bei alltäglichen Grenzverletzungen
  • Was tun, wenn ich sexualisierte Gewalt vermute?
  • Was tun, wenn ein:e Betroffene:r sich mir anvertraut?
  • Handlungsperspektiven bei Krisen – Abgrenzen der Verantwortlichkeiten – Unterstützungsmöglichkeiten

Das Thema Prävention sexualisierter Gewalt ist in Bayern seit 2006 in den Standards zur Juleica-Ausbildung verankert. Entsprechende Schulungen für Ehrenamtliche werden vor allem von Jugendverbänden und Jugendringen durchgeführt. Da die Bearbeitung der Thematik spezifische Fachkenntnisse erfordert, wird empfohlen, dafür eine:n externe:n Fachreferent:in einzusetzen.

Beispiele:

BJR-Arbeitshilfe „Qualifizierung zur Prävention sexueller Gewalt“: Beispiele für Arbeitseinheiten/Workshops in der Ausbildung von Ehrenamtlichen. Kostenpflichtiger Download im BJR-Shop

Prätect-Fachwissen und Übungen für Schulungen: Sammlung von Methoden und Übungen, die sowohl in der Gruppenarbeit als auch in der Schulung von Jugendleiter:innen zum Thema sexualisierte Gewalt eingesetzt werden können.

Werkbuch „Hilf mir, zu helfen“: Informationen und Präventionsmodule für junge Menschen/Peers als Adressat:innen von Disclosure und Brücken ins Hilfesystem. Mit inhaltlichen und methodischen Bausteinen zur Thematisierung von Jugendlichen als Adressat:innen von Disclosure (deutsch: Offenlegung, Anvertrauen) sexualisierter Gewalterfahrungen. Herausgegeben vom Deutschen Jugendinstitut (2022). Kostenloser Download

Vermittlung und Förderung kompetenter Fachreferent:innen: Die Fachberatung Prätect unterstützt Veranstalter:innen bei der Planung und Konzeption von Informations- und Schulungsveranstaltungen zur Prävention sexualisierter Gewalt. Auf Wunsch kann die Fachstelle auch geeignete Referent:innen vermitteln, deren Einsatz wird gefördert.

„Schutzkonzepte in der ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“: Online-Plattform mit zwei verschiedenen E-learning-Angeboten für Ehrenamtliche. Bis Ende der Projektlaufzeit ist die Teilnahme kostenlos.

Fortbildung für Fachkräfte
Als Ergänzung der Informationen, die Fachkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung/ihres Studiums zur Prävention sexualisierter Gewalt erhalten haben.

Durch Fort- und Weiterbildungen können vorhandene Kenntnisse vertieft bzw. bezogen auf den jeweiligen Aufgaben- und Verantwortungsbereich spezialisiert werden. Diese reichen hierbei von der Aufklärung über (dienstliche) Anweisungen und fachliche Informationen, der Vermittlung von Wissen und dem individuellen Kompetenzerwerb in Seminaren und Trainings bis hin zu einer Befähigung zur organisatorischen Implementierung der erworbenen Kompetenzen in den Bereichen Prävention und Intervention 
zum Thema sexualisierte Gewalt.


Qualifizierungsmaßnahmen für Leitungskräfte und andere Verantwortliche (z. B. Vorstände) sollten darüber hinaus je nach deren Aufgabenbereich und Funktion auch die entsprechenden Themen der Organisations- und Personalentwicklung im Hinblick auf die Prävention sexualisierter Gewalt umfassen.

Beispiele:

Qualifizierungsreihe „Jugendarbeit schafft sichere Orte“: Sechsteilige Zusatzausbildung für Fach- und Leitungskräfte der Jugendarbeit zur Entwicklung passgenauer Schutzkonzepte in Organisationen der Jugendarbeit. Anbieter: Institut für Jugendarbeit Gauting

Amyna e.V. Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch (München) bietet eine Reihe von Vorträgen und Fortbildungen zu verschiedenen Themen, z.B. Entwickeln von Schutzkonzepten, Handeln im Verdachtsfall u.v.m. an. Die Veranstaltungen können als Inhouse-Schulungen für ein Team oder bei größeren Trägern auch teamübergreifend gebucht werden.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren bieten ebenfalls Berufliche Fort- und Weiterbildung im Handlungsfeld sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Diese sind eher auf stationäre bzw. teilstationäre Felder der Kinder- und Jugendhilfe ausgerichtet, teils aber auch für die Kinder- und Jugendarbeit geeignet. 

Möglichkeiten zur Reflexion
Gezieltes Nachdenken über den pädagogischen Alltag, das eigene Handeln, Erfahrungen und die eigene Haltung ist ein zentraler Teil der Entwicklung von Schutzkonzepten.

Die Beschäftigung mit dem Thema sexualisierte Gewalt benötigt über die Erarbeitung von Schutzmaßnahmen und Arbeitspapieren hinaus Reflexionsräume, in denen ggf. eigene Unsicherheiten, Fragen, Sorgen, Widerstände etc. formuliert und zugelassen werden können. In Gruppengesprächen können z.B. Fallsituationen aus dem Alltag der Jugendverbandsarbeit diskutiert werden.

Die (Selbst-)Reflexion sollte sich nicht nur auf das eigene Handeln, die eigenen Erfahrungen und Kompetenzen beziehen, sondern auch persönliche und emotionale Aspekte umfassen. Damit wird sie zu einem bedeutsamen Mittel der fachlichen und persönlichen (Weiter-) Entwicklung in der pädagogischen Arbeit.

Ziele der Reflexion sind z.B. die Erweiterung von Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten, ein verbesserter Umgang mit Ambivalenzen und Unsicherheiten und die Entwicklung einer präventiven Haltung. Die dadurch entstehende offenere Kommunikation ist Voraussetzung für Transparenz und gegenseitiger Wertschätzung und für eine präventive Grundhaltung.

Auch in ehrenamtlichen Kontexten sollten regelmäßig Zeiten und Gelegenheiten zum kollegialen Austausch und Reflexion im Team eingeplant werden. Dabei können auch gezielt (angeleitete) Übungen und Reflexionen zum Thema sexualisierte Gewalt eingesetzt werden.

Beispiele:

Übung "Ist das sexualisierte Gewalt?": Anregungen und Fallbeispiele für Einschätzungs- und Reflexionsübungen.

Arbeitshilfe "Workbook Schutzkonzepte": Im Kapitel 3.3 "Grenzen achten und Grenzüberschreitungen erkennen" finden sich Fallbeispiele aus dem Alltag der Jugendverbandsarbeit mit Erklärungen.

Projekt „Verhaltensampel“: Reflexion der Haltung bei den Mitarbeiter:innen als Grundlage zur Erarbeitung einer Verhaltensampel. Die Broschüre beschreibt das entsprechende Vorgehen am Beispiel einer KiTa.

Leitfragen zur Selbstreflexion: Leitfragen zu den Themen Reflexion der inneren Einstellungen, Gefühle und eigenen Grenzen - Reflexion der Geschlechterrolle - Reflexion über (sexualisierte) Gewalterfahrungen. Für die Bearbeitung in Einzelarbeit, evtl. auch zum Austausch unter Kolleg:innen.

Reflexionsbogen zu fach- und feldspezifischen Handlungskompetenzen in Fortbildungen zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend: Leitfragen zur Selbstreflexion für Fachkräfte, die Fortbildungen anbieten.

Kartenset „Offene Fehlerkultur“ des BDKJ Mainz.  Das Kartenset soll Feedback- und Reflexions-Situationen ermöglichen bzw. erleichtern.

Erweitertes Führungszeugnis
Die Einsichtnahme (bei Ehrenamtlichen) bzw. Einholung (bei Hauptberuflichen) eines erweiterten Führungszeugnisses vor der Einstellung bzw. vor Beginn der Mitarbeit ist gesetzlich vorgeschrieben (§ 72 a SGB VIII).

In regelmäßigen Abständen mindestens alle 5 Jahre muss die Einsichtnahme bzw. Einholung des erweiterten Führungszeugnisses wiederholt werden. Da ein erweitertes Führungszeugnis nur rechtskräftige Verurteilungen ausweist, ist dessen Aussagekraft allerdings begrenzt.

Entsprechend der Bestimmungen im §72a SGB VIII sind die Jugendämter verpflichtet, mit den freien Trägern Vereinbarungen über die Einsichtnahme ins erweiterte Führungszeugnis zu schließen. Aus dieser Vereinbarung ergeben sich die konkreten Pflichten für die Träger. Mittlerweile hat sich die Einsichtnahme aber auch bei Ehrenamtlichen zum Standard entwickelt. Das erweiterte Führungszeugnis kann online beantragt werden und ist für Ehrenamtliche kostenlos. Es wird nur bei berechtigtem Verlangen des Trägers ausgestellt.

Beispiele:

Webseite der LAG Kinder- und Jugendkultur: Erklärungen und Vorlagen für alle Schritte im Kontext des erweiterten Führungszeugnisses.

Erzbistum Bamberg (Hg.): Handreichung zur Einsichtnahme in das 
erweiterte polizeiliche Führungszeugnis bei Ehrenamtlichen in Pfarreien und deren Einrichtungen. Die Handreichtung bietet genaue Erklärung vieler Fragen zum Führungszeugnis sowie zum richtigen Vorgehen bei der Einsichtnahme. 

FAQs zur Umsetzung §72 a SGB VIII: Erarbeitet vom Bayerischen Landesjugendamt und Bayerischem Jugendring (2012)

Personalverantwortung
Zum Thema Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt ist die Leitung(sebene) in besonderem Maße gefordert.

Durch gezielte Wahrnehmung der Personalverantwortung können Leitungspersonen vorbeugend handeln oder bei Verdacht auf sexuelle Gewalt durch eine:n Mitarbeiter:in entsprechend (arbeitsrechtlich) vorgehen.

Beispiele:

Arbeitshilfe "Schutzkonzept" des Erzbistums Bamberg enthält Anregungen für verschiedene Maßnahmen der Personalverantwortung, z.B. das Thema Prävention gegen sexualisierte Gewalt in Bewerbungsverfahren aufzugreifen, Erstgespräche mit interessierten Ehrenamtlichen zu führen, die Regelungen zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses einzuhalten etc.

Kein Raum für Missbrauch: Personalverantwortung bei Prävention und Intervention nutzen! Eine vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) für die UBSKM erstellte Broschüre über arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Vorbeugung und zum Vorgehen beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch eine:n Mitarbeiter:in. Die Broschüre enthält eine Kurzfassung der folgenden ausführlichen Expertise des DIJuF:

Expertise: Prävention und Intervention bei innerinstitutionellem sexuellem Missbrauch. Diese Expertise des DIJuF befasst sich eingehend mit Prävention und insbesondere Intervention bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch (vor allem hauptberufliche) Mitarbeiter*innen in Einrichtungen und Organisationen. Hinweis: Die Expertise bildet nicht die gängige Meinung aller Jurist:innen in Deutschland ab, sondern ist eine Auslegungsart. Bisher gibt es kaum Gerichtsprozesse, die die Sachlage beurteilt haben.

Personalauswahl
Mit der Auswahl von haupt- oder ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen wird auch darüber entschieden, welchen Personen Kinder und Jugendliche anvertraut werden.

Deshalb ist es wichtig, das Thema Prävention sexualisierter Gewalt bereits bei der Auswahl neuer Mitarbeiter:innen zu verankern. Auch wenn die Methoden von Täter:innen sehr subtil sind und ein Screening von Bewerber:innen eher der allgemeinen Abschreckung dient, wird dadurch verdeutlicht, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen zur Kultur der Organisation gehört.

Die Frage nach erfolgten Verurteilungen und laufenden Ermittlungsverfahren wegen Sexualstraftaten gehört zu den in einem Bewerbungsgespräch erlaubten Fragen, weil sie Aufschluss über die Eignung des Bewerbers geben und insofern für den Arbeitgeber von berechtigtem Interesse sind. Auch an Vorfällen in früheren Beschäftigungsverhältnissen, die zu einer Gefährdungseinschätzung und vielleicht sogar zu einer Beendigung der Beschäftigung geführt haben, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse und darf und sollte danach fragen.

Für die Personalauswahl sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, denn unter Zeitdruck treffen Leitungskräfte oft Kompromisslösungen.

Beispiele:

Möglicher Ablauf eines Bewerbungsgespräches. In: BDKJ Bayern (Hg.): Personalführung und Prävention sexueller Gewalt, S. 22.

10 Steps of Volunteer Screening: 10 Stufen des Bewerberscreenings zur Gewinnung und Einarbeitung von Freiwilligen in Kanada (Broschüre in Englisch)

Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag
Mit Hilfe von Zusatzvereinbarungen, die als Ergänzung des Arbeitsvertrages unterschrieben werden, können Abmachungen zum Kinderschutz/Schutz vor sexualisierter Gewalt festgeschrieben werden.

Empfehlenswert ist, mit Aufnahme einer Tätigkeit in der Organisation (egal ob haupt- oder ehrenamtlich) sowohl den Verhaltenskodex und/oder die Schutzvereinbarung sowie eine Selbstverpflichtung zur Information über Ermittlungsverfahren unterschreiben zu lassen. Dann kann nämlich im Falle des Verstoßes ein Ausschluss von Personen erfolgen, weil ja das vertraglich geregelte Vertrauensverhältnis beschädigt ist. In der Selbstverpflichtung kann auch eine Datenschutz-Freigabe formuliert werden, dass bei vorherigen Verbänden nachgefragt werden darf, ob es Vorfälle/Verdacht/Anschuldigungen von sexualisierter Gewalt gab.

Zusatzvereinbarungen sind nur gültig, wenn Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber zustimmen (unterschreiben). In einer Zusatzvereinbarungen können auch verbindliche Regelungen zum Verhalten von Mitarbeiter:innen in potenziell gefährdenden Situationen (Einzelbetreuung, private Kontakte, pflegerische Handlungen, Umgang mit Zigaretten und Alkohol…) getroffen werden.

Beispiele:

Zusatzvereinbarungen „Sichere Orte für Kinder“: Als Teil der Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt hat der Träger Netzwerk SpielKultur Berlin Zusatzvereinbarungen zum Arbeits- oder Beschäftigungsvertrag für verschiedene Gruppen von Mitarbeiter:innen entwickelt und juristisch prüfen lassen.